Musikrezension: Florence + the Machines „Everybody Scream“ setzt sich mit den Themen Größe und Sterblichkeit auseinander.

Florence Welch thematisiert in Florence + the Machines sechstem Album „Everybody Scream“ ihren Wunsch nach Größe und die Einschränkungen, denen sie als Künstlerin ausgesetzt ist.
In seiner Dankesrede für die Auszeichnung als bester Schauspieler bei den diesjährigen Screen Actors Guild Awards brachte Timothée Chalamet seinen Wunsch zum Ausdruck, als „einer der Größten“ in Erinnerung zu bleiben. Einige Jahre zuvor spielte Chalamet die Hauptrolle in Greta Gerwigs Verfilmung von „Little Women“, in der seine Figur seine zukünftige Frau demonstrativ fragt: „Welche Frauen werden überhaupt in den Club der Genies aufgenommen?“
„Everybody Scream“, das sechste Album von Florence + the Machine, ist eine Antwort auf diese bekannte, geschlechtsspezifische Vorstellung. Auf den zwölf Titeln setzt sich Florence Welch sowohl mit ihrem Wunsch nach Größe als auch mit den Beschränkungen auseinander, die ihr als Künstlerin ihrer Meinung nach auferlegt wurden.
Es ist unklar, ob Welch Chalamets viral gegangene Rede im Sinn hatte, als sie „One of the Greats“, die erste Singleauskopplung des Albums, schrieb. Doch in ihrer grüblerischen feministischen Abhandlung werden deutliche Klagen über Sexismus und männliches Überlegenheitsgefühl. „Es muss schön sein, ein Mann zu sein und langweilige Musik zu machen, nur weil man es kann“, singt sie über düstere Synthesizer und Streicher. Aber es hat auch einen gewissen Humor: „Versteht mich nicht falsch, ich bin ein Fan, du bist mein zweitliebster Frontmann.“
Welch arbeitete für einen Großteil des Albums mit Mark Bowen von IDLES sowie mit Mitski und Aaron Dessner von The National zusammen. Manchmal erzeugen diese Kollaborationen einen eindringlichen Klang, doch der Großteil von „Everybody Scream“ ist geprägt vom typischen orchestralen Pop der Band – einem kunstvollen Arrangement aus Streichern, Synthesizern, Gitarren, Klavier und Schlagzeug.
„Everybody Scream“ unterscheidet sich klanglich – vielleicht sogar zu sehr – kaum von dem, was Fans von Florence + the Machine gewohnt sind. Doch textlich schlägt Welch einen anderen Weg ein: Sie sinniert darin über Mystik und Hexerei, Themen, denen sie sich nach einer beinahe tödlichen Eileiterschwangerschaft im Jahr 2023 zuwandte. Die 39-Jährige gab später bekannt, dass sie während ihrer letzten Tournee mit einem geplatzten Eileiter aufgetreten war und sich einer Notoperation unterziehen musste.
„Ich sitze im Salzwasser/Beschwöre eine Vision meiner Tochter herauf/Zünde eine Kerze an/Lege meine Trauer auf den Altar“, ihre Stimme vibriert über eindringlichen Hintergrundgesang und einer unheimlichen E-Gitarre in „You Can Have It All“.
Das Album erinnert an Halseys Konzeptalbum „If I Can't Have Love, I Want Power“ aus dem Jahr 2021, in dem Weiblichkeit und Mutterschaft Einfluss, Respekt und Gewalt gegenübergestellt werden.
Welchs Gedichte zeichnen sich durch eine ähnliche Unmittelbarkeit aus, während sie sich mit Sterblichkeit und Ehrgeiz auseinandersetzt. Doch wie das Leben selbst, sind auch sie von der Banalität geprägt. „Ich lade ‚Offenbarungen der göttlichen Liebe‘ auf mein Handy/Versuche zu lesen, werde aber abgelenkt/Versuche zu leben, fühle mich aber so kaputt“, singt sie in „Perfume and Milk“, einem der schlichteren Lieder des Albums.
Das Konzept von „Everybody Scream“ ist herausragend. Das Album besticht durch seine klangliche und thematische Einheitlichkeit, und die Veröffentlichung zu Halloween ist absolut passend.
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„Everybody Scream“ von Florence + the Machine
Dreieinhalb von fünf Sternen.
In Dauerschleife: „Sympathy Magic“ und „Witch Dance“
Überspringen: „Musik von Männern“
Für Fans von: Hexenfrauen, Gruselsaison, Feminismus der zweiten Welle
ABC News



